Lisa ist acht, geht in die zweite Klasse und liebt es zu malen. Was immer ihr auffällt, wird zu Hause im Zeichenblock verewigt. Doch seit einiger Zeit bemerken ihre Eltern, dass Lisa immer unzufriedener wird mit ihren Zeichnungen. „Mama, das sieht in Wirklichkeit ganz anders aus!“ sagt sie mit gequältem Gesichtsausdruck und zerreißt das Blatt. Eines Tages geht lediglich ein kleiner Strich daneben und schon schreit sie auf und zerknüllt das Blatt mit Tränen in den Augen.Vielleicht kennst du das auch bei deinem Kind? Es nennt sich – etwas sperrig – „dysfunktionaler Perfektionismus“ (und ja: das gibt es auch bei Erwachsenen).
Perfektionismus bei Kindern: Wenn die Messlatte zu hoch liegt
Eines Tages kommt Lisa sichtlich erregt von der Schule nach Hause: „Mama, Papa, wir haben heute in Kunst die Noten für unsere Collage bekommen und ich hab nur eine 2!“ Ihre Eltern loben sie und sind stolz, doch Lisa ruft „Ihr versteht das nicht! Das ist schlecht!“ Sie ist so enttäuscht. Eine 2 ist nicht gut genug! Warum? Weil ihre beste Freundin Sophie eine 1 bekommen hat.
Vielleicht kennst du das auch von dir: Ein Sommerfest im Verein steht an und alle bringen einen selbstgebackenen Kuchen mit. Du backst auch einen leckeren Kuchen, der von allen gelobt wird. Aber du bist nicht zufrieden, weil dein Kuchen nicht so perfekt aussieht wie der deiner Standnachbarin. Du sagst dir: „Hey die Leute mögen meinen Kuchen doch!“ Aber deine innere Stimme sagt „Ja schon! Aber den anderen loben sie nicht nur wegen des Geschmacks, sondern auch weil er vegan ist UND noch „sooo liebevoll“ verziert ist“. Und das trifft dich ziemlich…Genau so geht es Lisa mit ihren Bildern.
Anzeichen des wachsenden Perfektionismus
Mit der Zeit verschlimmert sich Lisas Perfektionismus. Drei deutliche Anzeichen sind:
- Extreme Selbstkritik und Unzufriedenheit mit guten Leistungen
- Vermeidung von Herausforderungen aus Angst vor Fehlern
- Körperliche Symptome wie Schlafstörungen und Bauchschmerzen
Dieser Perfektionismus führt zu einem ständig wachsenden Druck, der Lisas Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.
Die Wurzeln des Perfektionismus: Wenn „nicht gut genug“ zur Überzeugung wird
Dieser Perfektionismus bei Kindern kann viele Ursachen haben. Oft beginnt es mit zu hohen Erwartungen, die gar nicht unbedingt von den Eltern kommen müssen. Viele Kinder erzeugen diesen Druck selbst. Sie möchten gerne die Besten sein. Denn das bedeutet meist, ein Lächeln, ein Lob, vielleicht auch hier und da ein kleines Geschenk zu bekommen. Und natürlich wollen Lisas Eltern auch immer nur das Beste für sie und loben sie deswegen, wenn sie gute Noten nach Hause bringt. Sie soll sich schließlich bestätigt und gesehen fühlen. Das Lob fällt bei ihr auch auf fruchtbaren Boden. Nur anders als gedacht. Denn Lisa beginnt irgendwann zu glauben, dass sie nur liebenswert ist, wenn sie eine 1 nach Hause bringt. Dann ist die Freude wirklich groß bei den Eltern – und das ist wichtig, denn das heißt doch „wir lieben dich“. Oder? Was für ein Missverständnis! Ihre Eltern legen gar keinen Wert auf eine Eins. Sie wollen nur, dass ihre Tochter für ihre Anstrengungen auch eine angemessene Wertschätzung erhält. Ein klassischer Teufelskreis, der bei Lisa zu negativem Perfektionismus führt.
Der wachsende Druck des Perfektionismus
Mit der Zeit wird dieser Perfektionismus immer schlimmer. Bei jedem neuen Bild, bei jeder Hausaufgabe, bei jedem Test setzt sie sich mehr unter Druck. Und je mehr sie sich bemüht, desto mehr Fehler schleichen sich ein. Ihre Eltern merken immer deutlicher, dass etwas nicht stimmt, aber sie wissen nicht, wie sie ihr helfen sollen. Eines Tages kommt Lisa weinend nach Hause. „Mama, Papa, ich habe eine 3 in Mathe.“ Für Lisas Eltern ist das eine gute Note, aber für Lisa fühlt es sich an, als wäre ihr Leben vorbei. Die innere Anspannung wird so groß, dass sie nicht mehr schlafen kann, Bauchschmerzen bekommt und schließlich gar nicht mehr in die Schule gehen möchte. Das Monster dysfunktionaler Perfektionismus hat sie fest im Griff. Was ist geschehen? Lisas Verunsicherung und der hohe Druck, den sie an sich selbst stellt, haben enormen Stress verursacht. Daher auch körperliche Symptome wie Bauchschmerzen und Schlafprobleme. Lang anhaltender Stress wirkt sich aber auch negativ auf den Teil des Gehirns aus, der für das logische und rationale Denken zuständig ist. Konzentrationsschwäche und Unaufmerksamkeit sind die Folgen. Lisa konnte also gar keine (für sie) zufriedenstellende Note erreichen.
Hilfe ist möglich: Wege aus dem Perfektionismus
Es gibt gute Wege, um Kindern wie Lisa zu helfen, die unter Perfektionismus bei Kindern leiden. Ein erster Schritt besteht darin, den Druck zu reduzieren. Das klingt jetzt einfacher als es ist, denn gleichzeitig ist es wichtig, dass das Kind spürt, dass es vor allem dafür geliebt wird, wer es IST und nicht dafür, was es TUT. Das bedeutet, realistische Erwartungen zu setzen und zu zeigen, dass es „Fehler“ im negativen Sinne nicht gibt, oder anders gesagt: Wenn etwas geschieht, dass anders ist, als gedacht, geplant oder erhofft, ist es nicht nötig, es direkt negativ zu bewerten! „Fehler“ sind einfach nur Erfahrungen. Und die sind lebenswichtig. Denn durch sie lernen wir, uns im Leben zurechtzufinden. Hier mal drei einfache Lösungsansätze zusammengefasst:
Lösungsansätze gegen den Perfektionismus
Um Kindern wie Lisa zu helfen, den Perfektionismus zu überwinden, sind folgende Strategien hilfreich:
- Realistische Erwartungen fördern und die Akzeptanz von „Fehlern“ als Lernerfahrungen unterstützen
- Positive Rückmeldungen zu Charaktereigenschaften geben, nicht nur zu Leistungen
- Offene Kommunikation mit Lehrern und Erziehern, um einheitliche Unterstützung zu gewährleisten
Diese Ansätze können Kindern helfen, ihren Perfektionismus abzubauen und eine gesündere Einstellung zu Leistung und Selbstwert zu entwickeln.
Die ersten Schritte aus der Perfektionismus-Falle
Nachdem sie eine Therapeutin kontaktiert haben, beginnen Lisas Eltern ihr immer wieder positive Rückmeldungen über ihre vielen guten Charaktereigenschaften zu geben. Dies ist wichtig, um den Perfektionismusgedanken bei Kindern wie Lisa abzumildern. Außerdem teilen sie ihr mit, wenn bei ihnen Dinge nicht so laufen wie gedacht. Sie lassen sich von ihr trösten und Mut zusprechen. Das hilft Lisa dabei zu erkennen, dass Menschen nicht weniger liebenswert sind, weil ihnen etwas nicht gelingt. Im Gegenteil! Sie liebt ihre Eltern dafür umso mehr! Diese Strategie kann dazu beitragen, den Perfektionismus in eine gesündere Richtung zu lenken und eine ausgewogenere Selbstwahrnehmung zu fördern.
Auf dem Weg zu mehr Leichtigkeit: Perfektionismus überwinden
Mit der Unterstützung ihrer Eltern und ihrer Lehrer*innen beginnt Lisa langsam, den Perfektionismus zu überwinden. Sie wird offener dafür, dass es in Ordnung ist, den eigenen oder fremden Erwartungen nicht zu entsprechen. Und sie beginnt sich selbst neu zu definieren: Als ein Mädchen, das viele tolle Ideen hat, gerne träumt und Dinge wiederfinden kann, die andere verlegen. Sie beginnt sogar wieder zu malen, und dieses Mal genießt sie es. Sie kann akzeptieren, dass ihre Bilder nicht perfekt sein müssen, um schön zu sein. Im Gegenteil: Je weniger „perfekt“ sie sind, desto schöner. Denn dann sind sie einzigartig!
Fazit: Perfektionismus bei Kindern verstehen und überwinden
Perfektionismus bei Kindern ist ein wichtigesThema, das viel Verständnis und Geduld erfordert. Druck entsteht manchmal an Stellen, wo man ihn nicht erwartet. „Fehler“ sind „H-E-L-F-E-R“, also Erfahrungen, die uns weiterbringen. Es gibt so viele Gründe, warum etwas nicht so läuft, wie man es möchte. Wichtig ist, sich dafür nicht zu schämen, sondern zu fragen „warum ist das so?“ und den Grund zu akzeptieren. Zum Beispiel: „Warum habe ich heute nichts hingekriegt? War ich abgelenkt / unsicher / aufgeregt / müde / überfordert?“ Höre in dich hinein! Und dann erhältst du die Antwort: „Ja – ich bin heute zu müde.“ Sage dir: „In Ordnung – ruh dich aus! Morgen klappt es besser!“ Wenn du es bei dir schaffst mit Akzeptanz, Selbstliebe und Großzügigkeit zu reagieren, dann schaffst du das auch bei deinem Kind. Lisas Geschichte zeigt, dass es möglich ist, Perfektionismus zu überwinden. Mit der richtigen Unterstützung können Kinder lernen, das Leben wieder zu genießen und sich von dem Gefühl, nicht gut genug zu sein, zu befreien.
Hol dir Unterstützung
Brauchst du oder dein Kind Unterstützung im Umgang mit Perfektionismus? Dann schau dich doch einfach hier mal um! Mit Hypnose lassen sich die Ursachen des zermürbenden Perfektionismus‘ sowie auch die entstandenen Verhaltensweisen und Glaubenssätze auflösen. Damit ihr wieder mit einem Lächeln durch’s Leben gehen könnt!